Neue Poleis und das kleinasiatische Binnenland


Die Bedeutung der neuen Poleis für die Hellenisierung des kleinasiatischen Binnenlandes

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Gegenstand des Projektes sind die neuen Poleis Kleinasiens und ihre Bedeutung für die Hellenisierung des anatolischen Binnenlandes. Dabei betrachten wir als „neue Poleis“ jene Poleis Kleinasiens, die erst während der hellenistischen Zeit und fast ausschließlich im Bereich des Binnenlandes gegründet wurden. Dies geschah zumeist dadurch, daß die Herrscher bereits existierenden einheimischen Städten oder makedonischen Militärkolonien das Polisstatut zuerkannten. Es gab aber auch Neugründungen „auf der grünen Wiese“, deren Bürgerschaft vornehmlich aus Indigenen bestand, deren Dörfer im Territorium einer neuzugründenden Polis oder in deren Nähe lagen. Nach den unterschiedlichen Gründungsmodalitäten sowie der weiteren Entwicklung der neuen Poleis ordnen wir die neuen Poleis vier Grundtypen zu, die wir mit den Arbeitsbegriffen (1.) Militärsiedler-Polis, (2.) Indigenen-Polis, (3.) Retorten-Polis und (4.) hellenistische Polis bezeichnen.
Die Unterschiede zwischen den ersten drei Grundtypen zeigen sich vor allem bei der ethnischen und sozialen Zusammensetzung der Bürgerkol-lektive, im Grad der Hellenisierung von Sprache und Kultur, in Stadtbild und Siedlungsstruktur sowie beim Pantheon und dem Festkalender der einzelnen Städte. Sie wurden bedingt durch die Persistenz der Verhältnisse der Vorgängersiedlungen bzw. durch den Umstand der völligen Neu-gründung. Im Laufe der Zeit glichen bereits bestehende neue Poleis der ersten drei Grundtypen ihre Institutionen sowie ihre offizielle Kultur und Religion soweit an die Standards des klassischen Polismodells an, daß man sie dem 4. Grundtyp der hellenistischen Polis zuordnen kann.
Unser Projekt will die Entwicklung der neuen Poleis sowie ihre Rolle bei der Hellenisierung des kleinasiatischen Binnenlandes erforschen. Dabei gehen wir von der an sich bekannten Tatsache aus, daß die neuen Poleis nicht als Apoikien griechischer Metropoleis entstanden. Sie wurden viel-mehr auf Initatitive, zumindest aber mit Billigung und Unterstützung des hellenistischen Staates gegründet. Die solcherart entstandenen Städte waren hinsichtlich der Souveränität über ihr eigenes Territoriums und der inneren Selbstverwaltung, vor allem aber wegen der Gestalt ihrer Institutionen – etwa des Demos und Phylen, der Boule und der Volksversammlung sowie des Gymnasions – tatsächlich Städte griechischen Typs, also Poleis. Was aber ihre Einbindung in die Strukturen des hellenistischen Staates anging, standen sie von Anfang an unter straffer Kontrolle der Herrscher und der königlichen Verwaltung. Das ergab sich schon daraus, daß sie vor der Gründung territorial zur untertänigen Chora bzw. zum königlichen Gebiet gehört hatten.
Aus Sicht des hellenistischen Staates dienten die neuen Poleis zum einen dem Zweck der Herrschaftssicherung. Zum anderen sollten sie zur Steigerung der königlichen Einkünfte beitragen. Ihre historische Bedeutung lag jedoch darin, daß sie Stützpunkte der griechisch-urbanen Kultur inmitten einer ländlich-indigen geprägten Umwelt waren und deshalb eine maßgebliche Rolle bei der Hellenisierung ihres näheren oder weiteren Umlands spielten. Dabei ist bisher nicht geklärt, ob und inwieweit der hellenistische Staat die Städte als Agenten der Hellenisierung betrachtete oder gar behandelte. Wir wollen dieser Frage nachgehen und klären, ob die Helleni-sierung des jeweiligen Umlandes eine eher unbeabsichtigte Nebenwirkung der Polisgründungen war oder ob die neuen Poleis gerade in der Absicht gegründet wurden, das kleinasiatische Binnenland zu hellenisieren.
Das Projekt besteht aus zwei Teilstudien, die sowohl systematischer als diachroner Art sind. Untersuchungszeitraum sind die beiden Jahrhunderte von Beginn der Diadochenzeit, (323 v. Chr.) bis zum Ende der Attalidenreiches und dem Übergreifen der direkten römischen Herrschaft auf Klein-asien, also die Zeit um 130 v. Chr. Die erste Teilstudie soll die Vorge-schichte, die Gründung, den Status und die inneren Verhältnisse sowie die weitere Entwicklung der neuen Poleis klären. Im Resultat sollen die etwa hundert neuen Poleis zunächst den drei Grundtypen, der Militärsiedler-Polis, der Indigenen-Polis oder der Retorten-Polis zugeordnet werden. Sodann wird untersucht werden, unter welchen Umständen und welchem Tempo sich neue Poleis in den vierten Grundtyp der hellenistischen Polis weiterentwickelten. In der zweiten Teilstudie sollen Funktion und Bedeutung der neuen Poleis für die Hellenisierung des Binnenlandes geklärt werden. Dazu sollen die einzelnen Grundtypen anhand von Fallbeispielen untersucht werden. Von diesen Fallstudien versprechen wir uns detaillierte Informationen über das spannungsreiche Aufeinandertreffen der graeco-makedonischen und indigenen Bevölkerungsteile. Hier vollzog sich ein Prozeß von Akkulturation und kultureller Selbstbehauptung, dem beide Seiten unterworfen waren. Dieser Prozeß soll in seinen Einzelheiten, aber auch in seinen übergreifenden Gemeinsamkeiten geklärt und nachvollzogen werden.

Prof. Andreas Mehl/ Dr. Christian Mileta

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Projektteam (Stand: April 2012)

Prof. Dr. Andreas Mehl (Projektleiter)

Seminar für Klassische Altertumswissenschaft
Lehrstuhl für Alte Geschichte
Martin-Luther-Universität Halle/ Wittenberg
06099 Halle/ Saale
Tel. (0345) 55 24020
Fax (0345) 33 27069
Email: andreas.mehl@altertum.uni-halle.de

PD Dr. Christian Mileta (Projektmitarbeiter)

Seminar für Klassische Altertumswissenschaft
Lehrstuhl für Alte Geschichte
Martin-Luther-Universität Halle/ Wittenberg
06099 Halle/ Saale
Tel. (0345) 55 24014
Fax (0345) 33 27069
Email: christian.mileta@altertum.uni-halle.de

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